Ein Moment, der mich tief berührt hat
Es gibt diese besonderen Augenblicke in meiner Arbeit, die mich daran erinnern, warum ich meinen Beruf so liebe.
Vor kurzem gab es wieder einen dieser Momente:
Eine junge Patientin sagte zu mir:
„Ich denke, ich bin jetzt bereit, meinen Weg alleine weiterzugehen.“
Für mich ist das einer der schönsten Sätze, die ich hören darf.
Wenn eine Trennung alles durcheinanderwirbelt
Meine Patientin kam zu mir, weil sie eine schmerzhafte Trennung verarbeiten wollte.
Viele Jahre hatte sie mit ihrem Partner zusammengelebt.
Ein Leben, das sich vertraut anfühlte.
Ein Mensch, von dem sie glaubte, ihn genau zu kennen.
Und dann – von einem Moment auf den anderen – zerbrach dieses gemeinsame Leben.
Eine leere Wohnung, die einen nach Feierabend angähnt. Gemeinsame Urlaube, schöne Erinnerungen, Fotos – all das schmerzte nur noch.
Zu der Trauer mischte sich Angst:
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Angst vor dem Alleinsein
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Angst vor einer ungewissen Zukunft
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Angst, nie wieder jemanden zu finden, der wirklich zu ihr passt
Meine Patientin fühlte sich schwer, wie unter einem zu dicken Mantel, der sie erdrückt.
Was sie sich wirklich wünschte
In einer unserer ersten Sitzungen fragte ich sie:
„Was möchtest du mit meiner Unterstützung erreichen – und wie würde sich das anfühlen?“
Sie überlegte kurz und sagte dann überraschend klar:
„Unbeschwertheit.“
Ein Gefühl, an das sie sich kaum noch erinnern konnte. Ein Gefühl, das lange verschwunden war.
Später fiel ihr ein, wann sie Unbeschwertheit zuletzt gespürt hatte:
Als sie noch Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft hatte.
Und somit war dieses Gefühl inzwischen schmerzhaft besetzt.
Von „un-schwer“ zu echter Leichtigkeit
Der Begriff „unbeschwert“ trägt eine Verneinung in sich und auch das Wort „schwer“.
Beides passte nicht mehr.
Ich schlug vor, ein neues Wort zu finden, ein Gefühl, das frei von alten Erinnerungen ist.
Sie suchte kurz – und fand etwas Wunderschönes:
Leichtigkeit.
Als plötzlich klar war, wo die Leichtigkeit sitzt
Zu Beginn unserer gemeinsamen Arbeit fiel es meiner Patientin schwer, Emotionen zu benennen oder körperlich zu spüren.
Doch diesmal wusste sie sofort, wo die Leichtigkeit in ihrem Körper sitzt:
Im Solarplexus – warm, strahlend, wie eine Sonne.
Sie erinnerte sich an einen Abend mit Freunden, an dem sie ganz im Moment war.
Da war sie: Energie, Freude, Verbundenheit.
Ein Gefühl, das sie sehr vermisst hatte.
Und der schwere Mantel, unter dem sie wochenlang gelitten hatte?
Er war nicht mehr dick und erdrückend.
Er hatte sich verwandelt: in einen leichten Regenmantel.
Ein Mantel, der schützt – aber nicht mehr niederdrückt.
Ein Bild, das befreite.
Licht am Ende des Tunnels
In der letzten Therapiesitzung sagte meine Patientin:
„Ich sehe wieder Licht. Ich fühle mich mutiger. Und ich freue mich auf das, was kommt.“
Sätze, die zeigen, wie viel in ihr in Bewegung geraten ist.
Wie viel Vertrauen neu entstanden ist.
Ich konnte sie mit einem guten Gefühl gehen lassen – in dem Wissen, dass sie aus eigener Kraft wieder festen Boden unter den Füßen hat.
Und sie weiß: Wenn sie irgendwann wieder eine Hand braucht, bin ich für sie da.
Warum mich diese Geschichte so berührt
Solche Momente erinnern mich daran, warum ich diese Arbeit mache.
Ich darf Menschen begleiten, bis die Schwere leichter wird – bis aus einem Mantel, der erdrückt, ein Regenmantel wird, der schützt.
Das zeigt mir: Ich bin an der richtigen Stelle. Und ich bin sehr dankbar dafür.


